![]() Erfahrungen |
In diesem Abschnitt möchte ich einiges zum Filmen an sich anmerken. War das Filmen anfangs nur der Ersatz der Fotografie bei bestimmten Anlässen, ist es bei mir inzwischen ein ernstzunehmendes Hobby mit allen Schritten im Vorfeld bzw. in der Nachbereitung der Aufnahmen geworden. Angefangen hat es sicher auch wie bei anderen Amateuren mit dem Ablichten von Geburtstagen oder ähnlichen privaten mehr oder weniger lustigen Ereignissen oder Katastrophen je nach Heftigkeit (-;. Da aber die 10. Auflage des 73. Geburtstags von Tante Frieda* auf Dauer nicht das Gelbe vom Ei ist, suchte ich wie jeder, der dieses Hobby ernsthaft betreiben möchte, nach neuen Herausforderungen in Form von Anlässen, die über den privaten Rahmen hinausgingen. So lernt man auf einfache Weise neue Sichtweisen respektive neue Menschen kennen - etwas, was ich in der heutigen Fernsehlandschaft leider oft genug vermisse. Dieser öffentliche und privatrechtliche Einheitsbrei von oberflächlichen Sitcoms, narzisstischen Talkshows und teilweise bluttriefenden "Filmkunstwerken" brachte mich zu folgenden Erkenntnissen:
Damit der ketzerische Gedanke nicht zum Paradoxon mutiert, setzt der Umgang mit dem Fernseher einen gewissen Qualitätsanspruch voraus, den ich mir durch jahrelange Vorbereitung im Umgang mit dem Medium Fotografie in Form des bewußten Sehens erworben habe - eine harte Schule, die jedem anempfohlen werden sollte, der sich ernsthaft mit diesem Hobby auseinander setzen möchte. So kann ich mir ruhigen Gewissens auch heute noch Filme anschauen, die bereits vor einigen Jahren entstanden sind. Auf der anderen Seite ist es für mich erstaunlich zu sehen, wieviel Mühe und Energie gegenwärtig auf die Bearbeitung/Speicherung von am Computer aufgenommenen Fernsehsendungen mit einem Videoformat (Mpeg2/Mpeg4) verschwendet wird, was ursprünglich nur zum Ansehen konzipiert war. Mal im Ernst - wer tut sich heute noch den geistigen Müll von Mittag-Talk-Shows oder Soaps von vor 3 Jahren an?
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![]() Gelegentlich spielt auch mal das Wetter verrückt und dann heißt es improvisieren, damit die Technik den nächsten Tag noch erlebt.Foto: Lothar FeickeDie eigentlichen Aufnahmen selbst verkörpern dann "nur" solides Handwerk - die Bilder liegen auf der Straße. Eine gute Vorbereitung läßt recht genaue Vorstellungen über die Bilder entstehen, die gefilmt werden sollen - im besten Fall habe ich sogar schon den "roten Faden". Gepaart mit einem Spürsinn für Alltagssituationen bzw. genauer Detailkenntnis kann es dann zu Filmaufnahmen kommen, die ich im Idealfall als "goldenen Schuß" bezeichne. Oft werde ich schlichtweg beneidet, weil ich auf dem ersten Blick oft nur da sitze und mir Sachen anschaue, die auch anderen gefallen können. Allerdings, so einfach ist es dann doch nicht, denn das "nur mal schauen" bedeutet oftmals ein aufmerksames Analysieren von Situationen, die zu einmaligen Schnappschüssen führen können. Hat man die Klippe glücklich umschifft, daß der Rollstuhl zeitweise keine besonders attraktiven Blickwinkel erlaubt, muß dann bestimmt noch einem videoverrückten Zeitgenossen klargemacht werden, daß er vor der eigenen Linse steht gemäß der Tatsache, daß der beste Platz seiner natürlich neuesten und ultimativ besten Kamera vor dem Objektiv einer anderen, in dem Falle nämlich der eigenen ist... |
![]() Meinungsaustausch mit einer Teilnehmerin des 100-km-Laufs in Leipzig 2004. Die Dame war nach ihren 100 km sicher erschöpfter als ich mit meinen läppischen 25 während der Aufnahmen.Foto: Lothar FeickeInteressant wird es, mit den Akteuren während der Aufnahme ins Gespräch zu kommen. Zum einen ist es immer besser, wenn der Handelnde, der meistens auch die beste Sachkenntnis besitzt, mit eigenen Worten zu hören ist und zum anderen besteht nicht die Gefahr, daß der Filmende in die Rolle eines Voyeurs gedrängt wird, sondern in das Geschehen aktiv involviert ist. Das kann durchaus komisch wirken, weil der Betreffende überrascht ist bzw. situationsbedingt anders reagiert als erwartet. Dies ist den aus Familienvideos sattsam bekannten gestellten Szenen vorzuziehen, die mit ihrem heftigen Gewinke und dem "Hallo - hier bin ich" bestenfalls für die sogenannten "Outtakes" gewürzt mit einer kräftigen Prise Humor taugen. Die Kamera wird Bestandteil der Situation, sie wird von den Akteuren vor und hinter dem Sucher nicht als "lästig" oder gar als "Aufpasser" empfunden und gewährt somit einen ehrlichen Einblick in das Handeln und Empfinden anderer Menschen. Die Gefahr, den Einblick zu intim werden zu lassen und Akteure sich "bloßgestellt" sehen, ist so geringer. Man sollte sich immer bewußt sein, daß trotz aller Öffentlichkeit Menschen mit ihrem Recht auf Individualität abgelichtet werden, was in anderen Kulturkreisen schon verboten ist. Ist man allerdings immun dagegen oder legt es nur auf solche Aufnahmen an, werden das einerseits die letzten Aufnahmen sein, die man in diesem Personenkreis geschossen hat, und andererseits kann man im Zeitalter arbeitsloser Rechtsanwälte, die im Falle einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten finanzielle Morgenluft für ihren dritten Porsche wittern, mit einer netten kostenpflichtigen Abmahnung oder im schlimmsten Falle mit einer Einladung vor dem Kadi rechnen. |
![]() Schnappschuß beim SchnappschußFoto: Kathrin Schaefer
Irgendwann ist aber der stärkste Rausch nach Bildern ausgelebt, daß ich dann keine Kamera mehr sehen kann. Die unermüdliche Jagd nach Szenen schlaucht körperlich nicht nur deshalb, weil ich alles im Rollstuhl absolvieren muß. Hat der Gelegenheitsfilmer im besten Fall 20 - 25 min Rohmaterial im Kasten, komme ich ich dann immer gleich auf Stunden, die in harter Arbeit am Computer auf eine erträgliche Länge "zusammengeschmolzen" werden müssen. Nichts martert die Nerven der späteren Video-Rezipienten mehr als stundenlange Aufnahmen in verschiedenen Einstellungen von ein- und desselben Motivs, was im schlimmsten Fall dann noch nicht mal die berühmte Sau interessiert. Jetzt beginnt die für den Zuschauer unsichtbare, aber nicht minder anstrengende Arbeit des Schneidens, was in erster Linie im Weglassen von Szenen besteht getreu dem Motto "In der Beschränkung liegt die Meisterschaft". Die Entscheidung, Szenen rauszulassen, an denen man hängt bzw. mit denen man besonders viel Arbeit hatte, kann oftmals sehr schwierig sein. Hier bewährt sich oft das Einbeziehen eines unbeteiligten Zuschauers, dessen unvoreingenommene Sicht und Kritik z.T. überhaupt erst eine Entscheidung ermöglicht. |
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*Wie heißt es an der Stelle immer: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Mit anderen Worten, ich habe gar keine Tante Frieda (-;
© Bahnrolli 17.01.2006 | Sitemap