Abwärts

Der Tauchschein


Im September 1999 war dann mit dem ewigen "Schnuppertauchen" im hiesigen Schwimmverein wegen ungeklärter Fragen hinsichtlich Vereinsversicherung usw. per Weisung durch den damaligen Vereinsvorsitzenden Schluß. Es begann eine lange Suche nach Informationen bzw. kompetenten Personen, die uns klar Auskunft geben konnten. Inzwischen hatten sich sogar Amerikaner für unsere Tauchexperimente interessiert, für die wir ein entsprechendes Schnuppertauchen in unserer Schwimmhalle arrangieren konnten. Allerdings ging es bei mir nicht weiter; ich spielte schon mit dem Gedanken, die Ausbildung auswärts zu absolvieren (sogar im entsprechenden Ausland wie USA oder Schweden, wo Tauchen Bestandteil der medizinischen Rehabilitation Querschnittgelähmter darstellt ). An dieser Stelle noch mal vielen Dank an Olaf , Frank und Michael, die mich bei der langen Suche immer wieder zum Weitermachen ermutigten.


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Mit Lutz und Stefan ins Wasser. Hier ist das sogenannte "Rettungsdreieck" schön zu sehen: Während Lutz (links) nur mit mit mir und meiner Ausrüstung beschäftigt ist, beobachtet Stefan (Mitte) uns beide aufmerksam und greift dann ein, wenn zusätzliche Hilfe erforderlich ist.


Mit Umweg über die USA und der Handicapped Scuba Association fanden wir dann April 2001 endlich eine Tauschschule in unserer Umgebung, deren Tauchlehrer die notwendigen Spezialbrevets besitzen und Behinderte ausbilden dürfen. Am Cospudener See in Leipzig-Markleeberg befindet sich die Basis der Tauchschule Lutz Kamski , wo wir mit Lutz Kamski und Stefan Feike, die schon über umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit Behinderten unter Wasser nicht zuletzt auch durch die Aktivitäten im Verein verfügen, ins Gespräch kamen. Bald begann die Ausbildung mit mehrstündiger Theorie, der dann die ersten praktischen Schritte im Schwimmbecken der Sachsen-Therme folgten. Hier zahlte sich unsere Vorarbeit in Bitterfeld aus - die theoretische Ausbildung konnte schnell abgeschlossen werden. Andererseits brauchte ich mich nicht wie andere Anfänger an den Regler zu gewöhnen, das Gefühl kannte ich auch schon.


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Während Lutz voraustaucht und meine Reaktionen aufmerksam beobachtet, bleibt Stefan als Kontrolle hinter mir.


Auf der einen Seite brauchten wir nicht mehr viel an meinen Fähigkeiten unter Wasser zu arbeiten, um so mehr mußten wir allerdings probieren, was die geeigneteste Ausrüstung für mich war. Es wurden verschiedene Jacketts, Regler, Masken usw. ausprobiert, um die optimalste Kombination für mich zu finden. Ziel ist es dabei, nach der Trimmung so schnell wie möglich eine optimale Auftriebsschwimmlage zu erreichen. Unbehinderte schaffen das problemlos durch Flossenbewegungen. In meinem Fall schafften wir das durch die Anwendung des Tarierjacketts Masterlift TEK von Beuchat und kleinen Gewichten (1 kg), die in Brusthöhe am Jacket eingehangen werden. Weitere Gewichte: 8 kg in den Bleitaschen im Jacket (allerdings nur, wenn ich den Neopren-Anzug anhabe) bzw. 1 kg Fußblei. Als Lungenautomaten verwende ich den Oceanic Delta 3 mit großem Spülknopf (läßt sich problemlos mit dem Handrücken auslösen), der über eine stufenlose Einstellmöglichkeit hinsichtlich des Einatemwiderstand verfügt - geht von leichtem Einatemunterdruck bis leichtes Einblasen der Atemluft. Dies ist gerade in Hinblick auf Training der eingeschränkten Atemfunktion von besonderer Bedeutung. Ersatzregler ist der Alpha 7 Octopus.


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Vorbereitungen für die Übungen unter Wasser. Lutz ist vor mir und erklärt die Übungen.


Da aber nicht nur Schwimmhalle mit seinen 28 Grad Wassertemperatur als Tauchrevier geplant ist, brauchte ich noch einen Neoprenanzug, der mich vor der Auskühlung schützt. Wir entschieden uns für eine Maßanfertigung des Eiswasser Luxus von Bora-Bora , dessen Besonderheit in der Anordnung von Reißverschlüssen besteht. Man könnte meinen, der gesamte Anzug sei ein einziger Reißverschluß (-; , aber auf diese Art und Weise ist es für die Helfer relativ einfach möglich, mich in diesen zu bekommen. Er besteht aus einem Long-John und einem Oberteil mit Kopfhaube (beide aus 7 mm Neopren). Ich lege mich dazu auf das Unterteil und die Helfer ziehen dann die Reißverschlüsse mit der gebotenen Sorgfalt zu (die Reißverschluß-Zungen dürfen keine Falten bilden -> Gefahr von Druckstellen!!!). Diese Kombination schützt bei Wassertemperaturen bis hinunter zu 10 Grad Celsius ausreichend vor Auskühlung (Tauchgang 40 min). Dazu dann noch Füßlinge und Handschuhe in der gleichen Dicke.


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Grundübung: Eine heruntergeschlagene Maske wieder aufsetzen und ausblasen. Stefan hält mich hinten an der Flasche.


Bei der Suche nach geeigneten Ansprechpartnern auf dem Gebiet Behindertentauchen auf medizinischer Seite kam ich zu der Erkenntnis, daß wir hier in Deutschland noch ganz am Anfang stehen, und ich sehe dabei die Gefahr, daß man aus übertriebener Vorsicht heraus die Meßlatte der körperlichen Eignung für den Zugang zu diesem sehr schönen Sport sehr hoch anlegt. Sicher ist ein Tauchgang in erster Linie körperliche Anstrengung (Lutz verglich die körperliche Anstrengung eines Tauchgangs mit der eines 3000-m-Laufs), der ein "Frischling" (jemand, der gerade seinen Unfall mit der Diagnose Querschnittslähmung erlitten hat) absolut nicht gewachsen ist. Allerdings wird ein Frischling nicht gleich in die Seen zum Tauchen rauswollen, sondern Schritt für Schritt im Schwimmbad sich an die Belastung gewöhnen und damit ein Training absolvieren, was umfassender nicht sein kann und zudem den Vorteil hat, daß die Belastungsgrenze zeitlich wie auch körperlich gewissermaßen stufenlos einstellbar ist. Dadurch eignet es sich vor allem für hochgradig geschädigte Querschnittsgelähmte, die notwendige Ausbildung und Erfahrung der Begleiter (Buddies) natürlich vorausgesetzt.


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weitere Grundübung: Tarieren. Dies ist eine der Übungen, die wohl auch bei anderen (unbehinderten) Tauchern nicht problemlos klappen.


Da dieser Sport für Behinderte in Deutschland noch relativ neu ist und somit eine Unterstützung wie bei anderen anerkannten Rehabilitationssportarten wie Leichtathletik oder Rollstuhlbasketball noch nicht vorhanden ist, wird bei den zuständigen Rehabilitations-/Rententrägern noch eine Menge Überzeugungsarbeit über die Nützlichkeit dieses Sports zu leisten sein. In diesem Zusammenhang möchte ich mich ganz besonders bei Herrn Kunert/Frau Rehbein bei der Unfallkasse des Bundes in Wilhelmshaven, die der Entwicklung interessiert gegenübersteht, für die bisher erwiesene Unterstützung bedanken.


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Da isser. Aus den Erfahrungen der Tauchaufenthalte in Ägyten wird diese Ausbildung von den meisten Tauchbasen anerkannt.

Ende Oktober war es dann soweit: Ich wurde von der HSA zertifiziert - C-0915 - wobei C in diesem Falle für Level C steht, was bedeutet, daß ich grundsätzlich nur mit 2 Personen, von denen eine die Dive-Buddy-Ausbildung für Behinderte haben muß, ins Wasser darf. Das haben wir dann auch gleich mal ausprobiert..... (-:)_...


* Einige Fotos stammen aus einem Beitrag zur Sendung "Selbstbestimmt Leben" des MDR vom 30.06.2001.
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© Bahnrolli 28.12.2001 edit: 16.11.2021 | Sitemap